„Sie gehen dann mal die nächsten drei Monate zu Fuß!“

„Aber ich…“

„Keine Widerrede!“

Die Koalitionsverhandlungen gehen nur schleppend voran, doch das ging bisher zum Großteil am Durchschnittsbürger vorbei.

Jetzt allerdings heißt es aufgemerkt und zugehört. Es geht um des Deutschen liebstes Kind.

Das Auto.

Der Ausdruck von Freiheit und Wohlstand. Das Allerheiligste im Garagentabernakel. Letztlich jedoch weniger das Auto an sich, als vielmehr die Erlaubnis dieses zu bewegen.
Bei den Verhandlungen über die Bildung einer großen Koalition haben SPD und Union in ihrem Koalitionspapier der Arbeitsgruppe Inneres und Justiz vereinbart, ein Fahrverbot nicht mehr nur als Nebenstrafe (§ 44 StGB) sondern als eine Alternative zu den bereits existierenden Freiheits- und Geldstrafen im Strafrecht einzuführen.

Wer soll von einer derartigen Regelung getroffen werden? Wäre sie gerecht, beziehungsweise sinnvoll? Und welche Folgen hätte dies für die Praxis der Vollstreckung?

Betroffen wären bei einer Umsetzung nach jetzigem Stand alle Personen, die sich in irgendeiner Weise strafbar gemacht haben. Während bislang ein Fahrverbot gemäß § 44 StGB nur als Nebenstrafe bei Delikten verhängt werden konnte, bei dem ein Bezug zum Führen eines Fahrzeuges oder der Sicherheit des Straßenverkehrs bestand, könnte nun auch jeder Dieb, Betrüger oder Randalierer mit einem Fahrverbot belegt werden.

Nach Aussage von Günter Krings (CDU) liege der Sinn und Zweck der Regelung darin, „den Instrumentenkasten der strafrechtlichen Sanktionen [zu] erweitern, um flexibler auf einzelne Täter einzugehen“. Nach seiner Aussage stelle das Fahrverbot einen Mittelweg zwischen der Freiheits- und der Geldstrafe dar.

Fahrzeugschein, Führerscheine

Bald könnte der Lappen auch nach einer Sachbeschädigung weg sein.

Folgendes könnte sich also bald  im Strafgesetzbuch wiederfinden:

§ 303 I StGB (potentielle Neufassung)

(1) Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, Fahrverbot oder mit Geldstrafe bestraft.

Geboten scheint die Verhängung eines Fahrverbots nach der Einschätzung von CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl besonders bei „Heranwachsenden, die gerade die Freiheit der eigenen Mobilität erleben, […].“ Letztendlich hat er damit den Hauptanwendungsbereich sehr treffend eingegrenzt. Gefängnisstrafen werden beispielsweise bei Sachbeschädigung eher selten ausgeurteilt, sodass letztendlich nur die Geldstrafe bleibt. Geldstrafen wiederum werden zwar über den Tagessatz der Leistungsfähigkeit der Person angepasst. Ein Tagessatz entspricht dabei dem 1/30 des Monatseinkommens. Nicht berücksichtigt wird dabei allerdings das eigene oder das Vermögen der Eltern. Das führt in der Praxis häufig dazu, dass ein Urteil über den Tagessatz eines Azubis oder Studenten gefällt wird, welches entsprechend niedrig ausfällt und dank Mami und Papi oder dem eigenen Sparbuch im Nu beglichen ist. Sicherlich ist es ärgerlich, wenn es ans Ersparte geht, aber letztlich ist es ja „nur Geld“ (Eine ähnliche Auffassung vertritt übrigens auch der Staat im Bezug auf die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes, § 48 VwVfG).

Von einer bewusstseinsbildenden Strafwirkung kann hier nicht wirklich gesprochen werden. Wird allerdings ein Fahrverbot ausgesprochen, so wirkt sich dies unmittelbar auf den Alltag des Täters aus und zwar nicht nur punktuell, wie bei einer Strafzahlung, sondern im Höchstmaß über drei Monate täglich von früh bis spät. Es ist eine echte Freiheitsbegrenzung, ohne dass dabei die negativen Folgen einer Kriminalisierung in der Haft oder dem Jugendarrest aufträten. Des Weiteren zeigt sich auch eine Wirkung auf das soziale Umfeld. Während eine Geldstrafe meist unerkannt geleistet wird, kommt der Freundeskreis nicht umhin festzustellen, dass der Kumpel X auf Grund seines rechtswidrigen Verhaltens erheblich in seiner Mobilität eingeschränkt ist. Im Bereich der vom Autor sogenannten „haftfreien Delikten bei Erstbegehung“ ist mit dem rechtswidrigen Verhalten ein tatsächlicher, erkennbarer Makel verbunden. Geld kann man borgen, einen Führerschein nicht. Für bestimmt Fälle ist die Verhängung eines Fahrverbots daher genau das richtige Mittel.

Neben Haft und Geldstrafe nun auch das Fahrverbot als Hauptstrafe?

Neben Haft und Geldstrafe nun auch das Fahrverbot als Hauptstrafe?

Gerechtigkeitsprobleme ergeben sich möglicherweise aus der Tatsache, dass nicht jeder Straftäter auch Inhaber eines Führerscheins ist. Führerscheinnichtinahber werden dadurch bevorzugt. So argumentiert jedenfalls Stefan Caspari, Vorsitzender Richter am LG Dessau-Roßlau und Mitglied der Großen Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes. Art. 3 GG könne ein Problem sein. Wenn eine Strafe nicht jeden treffen könne, weil nicht jeder einen Führerschein habe, wären nicht mehr alle vor dem Gesetz gleich. Im Ergebnis wäre diese Frage einer Verhältnismäßigkeitsprüfung durch das BVerfG zu unterziehen. Es ist allerdings schlicht nicht denkbar, dass in diesem Fall anzunehmen ist, dass bei einer Abwägung von Eingriff und Rechtfertigung die Grenze der Unzumutbarkeit überschritten würde. Ein ähnliches Schicksal wie das, des § 43a StGB, der Vermögensstrafe, ist dem Fahrverbot also sicherlich nicht beschieden.

Dem ist außerdem entgegenzuhalten, dass nicht jeder Straftäter, der zu einer Geldstrafe verurteilt wird, Geld zur freien Verfügung hat, mit dem er die Strafe bezahlen kann. Werden dadurch die Straftäter benachteiligt, die das Geld zur Verfügung haben? Im Bereich der Haftstrafen soll es sogar Menschen geben, die gar nicht anders können, als Straftaten zu begehen, nur damit sie ins Gefängnis kommen. Sind die, die nicht ins Gefängnis wollen dadurch benachteiligt, weil es Menschen gibt, die gerne (beispielsweise über Weihnachten) in der JVA einsitzen?

Die einzige Ungleichbehandlung, die hier von Herrn Caspari aber nicht gesehen wurde, obwohl er eben in einer Gegend Deutschlands tätig ist, in der diese deutlich erkennbar wäre ist die, dass Großstädter deutlicher geringer in ihrer Mobilität eingeschränkt wären, als Täter aus infrastrukturell schwächeren, dörflichen Gebieten. Diese strukturelle Ungleichheit ist in diesem Fall aber bei der Bestimmung des Strafmaßes zu berücksichtigen.

Einen berechtigten Einwand bringt Herr Caspari jedoch im Bezug auf die praktische Umsetzung der Vollstreckung eines Fahrverbotes. Gefängnis- und Geldstrafen können unter Zwang durchgesetzt werden, während ein Verurteilter sich im Falle eines Fahrverbots ohne weiteres darüber hinwegsetzen kann.
Schließlich setzt sich aber derjenige, der ein Fahrverbot missachtet der Gefahr aus, seinen Führerschein auf Dauer zu verlieren. Wenn die verurteilten Täter auf dieses Risiko hingewiesen werden, so dürftet die Angst vor einem dauerhaften Verlust der Fahrerlaubnis allerdings vorherrschen.

Weitere Kritik kommt, wie könnte es auch anders sein vom ADAC, beziehungsweise seiner großen europäischen Schwester, dem ACE. Als Contra-Argument wird vorgebracht, dass das Verhängen eines Fahrverbots vornehmlich dem Zwecke der Aufrechterhaltung der Sicherheit im Straßenverkehr diene. Verkannt wird allerdings, dass ein Fahrverbot in diesem Fall eben einen Strafzweck und nicht die Verkehrssicherheit zur Grundlage hat. Darüber zu entscheiden liegt letztlich ganz in der Hand des Gesetzgebers. Ein weiterer Punkt, der leider nicht Bestandteil der Koalitionsverhandlungen ist, besteht in einer einkommensabhängigen Bußgeldtabelle nach dem finnischen Modell. Wenn man die Straßen sicherer machen kann und will, dann so.

Schließlich ist zu konstatieren, dass hier ein guter Ansatz verfolgt wird, über dessen tatsächliche Vor- und Nachteile erst dann intensiver diskutiert werden kann, wenn ein konkreter Gesetzesentwurf vorliegt.

Noch Fragen?

Quellen: die-Zeit.de; merkur-online.de; Tagesschau.de
Bildquelle: Rainer Sturm/pixelio.de

8 Kommentare zu “„Sie gehen dann mal die nächsten drei Monate zu Fuß!“

  1. Im Großen und Ganzen eine sehr saubere Abhandlung. Chapeau!

    In Bezug auf die Aussage: “ Sicherlich ist es ärgerlich, wenn es ans Ersparte geht, aber letztlich ist es ja “nur Geld“.“ möchte ich jedoch anmerken, dass dies gerade Sinn und Zweck der Geldstrafe ist, d.h. der erzwungene Konsumverzicht durch Geldleistung. Insoweit wäre es, mit Blick auf die Strafe, der erwünschte finanzielle Verzicht.

    • Zunächst vielen Dank!
      Dass die Geldstrafe originär durch finanziellen Verzicht strafen soll war mir bewusst. Mein Punkt war auch nicht, dass die Geldstrafe mehr leisten soll. In der heutigen Zeit beschleicht mich allerdings das Gefühl, dass der Konsumverzicht trotz Strafzahlung nicht mehr stattfindet (dank toller Ratenkäufe, Kleinkredite und Mami und Papi), sodass gerade in der besagten Gruppe die Strafe nicht strafend wirkt. Wahrscheinlich ist das im Artikel nicht deutlich genug geworden.

  2. Die Argumentation „besonders bei Heranwachsende[n]“ ist vollkommen verfehlt, beweist aber, wie wenig Herr Uhl eigentlich von der bestehenden Rechtsordnung versteht. Für Heranwachsende gibt es bereits die Möglichkeit sie nach Jugendstrafrecht zu behandeln und das Verbot zu fahren ist eine mögliche Weisung nach § 10 JGG. Wenn man glaubt, man müsste heranwachsende Täter über 21 Jahren auch damit bestrafen können, dann muss man einfach das Alter nach § 1 II JGG anders definieren.
    Die Argumentation zeigt aber eine Sache ganz klar auf: Das Ganze soll den Täter „erziehen“. Aber das ist nicht Aufgabe des Strafrechts.

    • § 1 StVollzG: „Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden,künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel).“ Ich erkenne da durchaus eine erzieherische Funktion!

      • Danke für die normative Begründung, ich hätte jetzt auf die Kombinationsformal (absoluter & relativer Strafzweck) des BGH zurückgreifen müssen. Vollzugsrecht ist im 4. Semester noch nicht Gegenstand.

      • Ziel der Strafe mag es bei Erwachsenen u.a. sein, einen bestimmten Täter davon abzuhalten, nochmals Straftaten zu begehen. Aber die Strafhöhe ist in den einzelnen Strafnormen und die Strafzumessung ist in § 46 StGB ausdrücklich geregelt und bindet den Richter. Er kann eben nicht das Mittel wählen, dass gerade diesen Täter erzieht, in Zukunft keine Straftaten zu begehen, sondern nur das Mittel, dass der Schuld des Täters entspricht (§ 46 I StGB).
        Bei Jugendlichen dagegen kann ein Richter eine Strafe verhängen, die allein zur Erziehung dient und ist fast vollkommen frei in der Wahl der Sanktionen.

      • „Er kann eben nicht das Mittel wählen, dass gerade diesen Täter erzieht,[…]“
        Naja, wenn der Gesetzgeber das so normieren sollte, ist der Richter letztendlich nur der Beamte, der die Ermessensentscheidung hat, ob nun Haft, Fahrverbot oder Geldstrafe tat- und schuldangemessen sind. Letztendlich ist das doch nur Haarspalterei über den Begriff der Erziehung, beziehungsweise der Prävention. Prävention ist der spezielle Fall, in dem ein Straftäter dazu erzogen werden soll, keine Straftaten mehr zu begehen. Et voilá hat auch eine „Erziehungsmaßnahme“ Präventionscharakter.

      • Ich finde eine weitere Möglichkeit beim „Strafen“ neben der Geldstrafe und Haftstrafe durchaus legitim. Beruflich bin ich mit staatsanwaltschaftlichen Aufgaben betraut. Die Haftstrafe (auf Bewährung) wiegt zwar rein rechtlich schwerer, rein faktisch jedoch nicht. Ich erkenne den zugrunde liegenden Gedanken nicht, nach dem eine Geldstrafe unbedingt tat- und schuldangemessener sein sollte, als z.B. das zeitige Fahrverbot. Strafzumessung ist abhängig von Tat, Täter, Nachtatverhalten und und und. Immer wieder begegnet es mir in der Praxis, dass die Besch. sich in Erwartung des Strafbefehls oder der Anklage „arm rechnen“. Sicherlich gibt es Möglichkeiten dies beim strafrechtlichen (!) Nettoeinkommen zu berücksichtigen, aber z.B. die Schenkung eines gewinnbringenden Unternehmens an den Bruder oder den Vater erfordert schwierige Bewertungen und insbesondere weitere tiefgreifende Ermittlungen. M.E. sollte der Staat beim Strafen, wie es auch im JGG Ausdruck findet, „kreativer“ sein. Ein Fahrverbot könnte die sich auftuende Gerechtigkeitslücke schließen oder z.B. auch eine (dafür geringere) Bewährungsstrafe ergänzen.

        Andererseits bietet sie durchaus auf Vorteile, z.B. bei Geringverdiener, ALGII-Beziehern oder Aufstocker. Dort wird z.B. diskutiert, dass eine Geldstrafe unzulässig sein könnte, weil hierdurch die Grundsicherung faktisch noch weiter gekürzt würde bzw. mit einem geringeren Geldvermögen ein menschenwürdiges Dasein mindestens gefährdet wäre. Strafen ist halt doch nicht gleich strafen. In diesen Fällen könnte das Fahrverbot, z.B. im Bereich der kleinen od. mittleren Kriminalität, die richtige staatliche Sanktion für ein strafrechtliches Fehlhandeln sein und zwar ohne die Grundsicherung (Ts-Höhe zwischen acht und 20 Euro (!)) anzutasten. Geld- und Haftstrafen stehen auch nicht bzw. nicht immer in irgendeiner Beziehung zur Tat (Geldstrafe für Diebstahl, aber auch für Unfallflucht). Einer Vielzahl von deliktischen Handlungen muss m.E. auch zwingend eine Vielzahl (oder sagen wir ein Strauß) staatlicher Sanktionsmöglichkeiten gegenüberstehen.

        Im Übrigen sehe ich es wie mein Vorredner. Prävention (ob nun Spezial- oder Generalprävention) ist meines Erachtens immer auch Erziehung. Dieser Gedanke findet sich ja auch in der og. Norm wieder. Das der Strafvollzug diese Besserung nicht zu leisten im Stande ist, steht gleichwohl auf einem anderen Blatt..

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